Pin It

schwimmerinVon unerbittlicher Schönheit: Anna Hein tanzt ein Prosagedicht von Josef Winkler.
Zum Schluss robbt sie im Badetrikot über den Boden, bäumt sich auf, fällt und strudelt zu den gesampelten Textfetzen von Josef Winklers Gedicht "Ich bin der Gast deines hervorgestoßenen Fluches, Mirna Jukic" hinter die Bühnenleinwand, als könne sie ihr Selbst nur durch öffentliches Verschwinden retten.

Stringent rundet dieser bedrückende Abgang der "Schwimmerin" die behutsame szenische Umsetzung der Kärntner Tänzerin und Choreografin Anna Hein von Josef Winklers Lyrik ab. Gleich die Eröffnungsszene ihres Tanzstückes vom gnadenlosen Leistungssport gehört einzig dem Gedicht des renommierten Autors. Alle 32 Strophen liest Maximilian Achatz vor, während er auf leerer Bühne des Theaters Halle 11 die imaginären Schwimmbahnen eines Sportbeckens abschreitet. Erst dann ruft Christoph Hofer (Live-Akkordeonist und Trainer in Personalunion) mit seiner Trillerpfeife zum täglichen Work-out.

Nun kommt Bewegung in die Sache. Anna Hein exerziert Schwimmtechniken als elegantes Schattenspiel, präsentiert ihre weiblichen Sponsoring-Reize in Stöckelschuhen, tanzt sich barfuß von freudiger Zuversicht in elende Erschöpfung und erschwimmt mit repetitiven Handständen den ersehnten Pokal. Niki Meixners Filmmotive eines stillgelegten Freibades weisen wehmütig in das Land der Träume. Die unerbittliche Realität dominiert die Stoppuhr.

Wenn Anna Hein mit ihrem schlanken zeitgenössischen Tanzkörper zu den Klängen südländischer Volksmusik walzt, drängt sich unweigerlich die Verbindung zwischen Sport- und Tanzdrill auf. Schade, dass Genia Enzelberger diese Parallele dramaturgisch ignoriert. Insgesamt verschwindet Anna Hein ein wenig zwischen den sorgsam arrangierten Kunstgattungen aus Rezitation, Textprojektion, Video, Musik und Schauspiel.

Gerne hätte man sie mehr tanzen sehen: ihre fließend-leichten Schwünge und Drehungen mit betonter Armführung, ihr zerhacktes Zittern voll übermächtiger Erdanziehung, ihr wellenförmiges Aufbäumen und Zusammensacken.

Die Botschaft der "Schwimmerin" erreicht uns allemal. Ein sehenswertes Tanzstück vom zersetzenden Zwang auf Goldmedaillen, das seit seiner Voraufführung im Bleiburger Center for Choreography ungemein an Tiefe gewonnen hat.

"Die Schwimmerin". Tanzstück von Anna Hein. Theater Halle 11, Klagenfurt am 18. April 2012.
Nächste Termine: 21. Juni in der Lodronschen Reitschule in Gmünd, 21. Juli Spielfestival OÖ.

Dieser Artikel ist ein Originaltext der Kleinen Zeitung vom 20. April 2012

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.